Processual Design Basics
Dokumentation von Ivo Herrmann – Sommersemester 2013
In diesem Kurs wurden die grundlegenden Kompetenzen und Möglichkeiten der prozessorientierten Gestaltung in einer Reihe von gestalterischen Übungen und Analysen vermittelt und gemeinsam erarbeitet. Es gab einen breiten Überblick über Facetten, Methoden und Werkzeuge sowie Einblicke in die elementaren handwerklich-technischen Verfahren prozessorientierter Gestaltung.
Übung 1: Musteranweisung
Aufgabe war es eine Anweisung für ein zweidimensionales Musters zu verfassen. Die Anweisung, in textlicher Form, wurde fünf mal kopiert und an verschiedene Kommilitonen zur Ausführung gegeben.
Meine Anweisung
„Halbkreise gespiegelt verbinden und in horizontaler Anordnung wiederholen.“
Ergebnisse
Nur die erste Umsetztung entsprach meinen Vorstellungen. Die restlichen Bilder sind allerdings nicht falsch umgesetzt. Verfolgt man die Anweisungen und vergleicht sie mit den Ergebnissen stößt man auf Übereinkunft. Daraus habe ich gelernt, dass Instruktionen so detailliert wie möglich sein müssen, um ein Ergebnis nach eigenen Vorstellungen zu erhalten.
Übung 2A, B, C: Systemzeichnungen Pflanzen
Bei einem Besuch in der Biosphäre Potsdam sollten mindestens 6 schematische Zeichnungen verschiedener Pflanzen erstellt werden (ähnlich der L-System Logik). Linien beschreiben eine Struktur, Punkte die Knotenpunkte, an denen sich die Linie ändert (knickt, auffächert etc.).
Zusätzlich sollten von den Blättern der Pflanzen, schematische Zeichnungen erstellt werden. Beschreibungen und Fotos der Pflanzen helfen bei der Vorstellung der Schemata.
Komposition schematischer Artenbeschreibung
Mit Hilfe eines herkömmlichen Kopierers sollte, möglichst ohne neue Zeichnungen zu erstellen, eine Komposition schematischer Artenbeschreibung erstellt werden.
Die einfache schwarz/weiß Ansicht hat mir noch nicht so gut gefallen, deswegen habe ich mit Photoshop noch etwas Struktur eingearbeitet, das Bild negativ umgekehrt und anschließend eingefärbt.
Übung 3A: Pflanzenteile – Wiederholung (analog)
In der Biosphäre Potsdam sollten zusätzlich Aufnahmen von einzelnen Pflanzenteilen (Pflanzenorganen) gemacht werden. Die Fotos habe ich digital freigestellt und in schwarz/weiß ausgedruckt. Die Ausdrucke wurden mehrmals kopiert und ausgeschnitten.
Mit den analogen Pflanzenteilen wurden mehrere Kompositionen gelegt und fotografiert. Um etwas mehr Spannung zu erzeugen, habe ich die entstandenen Kompositionen farblich negativiert und einen Farbfilter hinzugefügt. Die Ergebnisse wirken etwas mysteriöser als die originalen schwarz/weiß Aufnahmen.
Es sollte zum Teil mit Wiederholungen gearbeitet werden, jedoch war dies mit analogen Mitteln ziemlich kompliziert. Deshalb habe ich versucht möglichst eigenständige Gesamtformen zu erstellen.
Ergebnisse
Besonders interessant ist der real wirkende Blatteffekt, der durch die Schattierungen der Foto Aufnahmen entstanden ist. Mit Photoshop wäre ein solcher Effekt wahrscheinlich komplizierter umzusetzen. Außerdem wurde mir bei den Arbeiten die Ästhetik einer Fotokopie bewusst, welche sich später bei den Processing Projekten wieder zeigen sollte.
Übung 4: Pflanzenteile – Wiederholung (digital/photoshop)
Im Kontrast zu den analogen Übungen, sollten in Photoshop Wiederholungen mit den freigestellten Pflanzenteilen erstellt werden. Da es einfach ist in Photoshop Objekte zu wiederholen und anzuordnen, bin ich mehr über die Fläche gegangen. Dabei habe ich versucht die Pflanzenteile möglichst monoton, Reihe für Reihe, zu wiederholen.
Durch die gleichmäßige Wiederholung entsteht ein Raster mit neuen Formen. Die Pflanzenteile sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Aber genau das fand ich interessant. Durch Wiederholung abstrakte neue Formen zu erstellen, die auf den zweiten Blick eventuell erkennbar sind.
Allerdings bin ich mir nicht sicher ob jemand der nicht weiß, dass es sich um Pflanzenteile handelt diese auch erkennt. So schafft die Abstraktion Platz für Interpretation.
Übung 5A, 5B: Pflanzenteile – Wiederholung (digital/processing)
Für die nächste Übungen hatten wir den Auftrag uns mit Processing auseinander zu setzen. Die Erfahrungen aus den analogen und digitalen Übungen waren sehr hilfreich. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt Abstraktion durch Wiederholung zu schaffen und die entstandenen Kompositionen mit Hilfe eines Kopierers ästhetisch zu finalisieren.
Unser Processing Coach Hannes Nützmann gab uns ein Skript, das gewählte Pflanzenteile bei Mausklick in Mauszeigerrichtung wiederholt (ähnlich wie ein Pinsel in Photoshop). Die daraus entsandenen Ergebnisse erinnerten mich noch stark ans Analoge. Mir fehlte die Genauigkeit der Maschine.
Mit dem nächsten Skript wurde es interesannter. Die Maschine bekam von mir nur noch Parameter und hat das Handwerkliche selbständig ausgeführt.
Nach einigen Experimenten bin ich auf ein Skript aus meinem vorherigem Semester aufmerksam geworden. Ich hatte damals eine Musikvisualisierung erstellt, welche sich nach und nach in Form einer Spirale aufbaut. Die radiale Form fand ich im Zusammenhang mit der Wiederholung extrem interessant. Die Form wirkt maschinell erstellt, aber dennoch sehr dynamisch.
Die Ergebnisse aus dem Skript bestehen aus einem Mix von eigenständiger Arbeit der Maschine (mit Eingabe von Parameter) und manuellen Eingreifen durch mich (Änderungen der Pflanzenteile und deren Größe, sowie die Größe der Spirale).
Um den Ablauf des erstellten Skripts zu verstehen hilft dieses Video:
Nachdem das Skript die Formen erstellt hat, habe ich die Bilder farblich umgekehrt und schwarz/weiß ausgedruckt. Pro Bild ergab sich ein 6x6 cm großer Ausdruck. Diesen habe ich 1:1 kopiert und anschliessend auf 300% hochkopiert. Die hochkopierten Bilder habe ich eingescannt und mit Photoshop bearbeitet.
Ergebnisse
Der Fotokopierer hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Flächige helle Graustufen wurden neu gerastert, dadurch entstand eine Art Nadelstich Optik. Zudem ist kaum noch zu erkennen, dass es sich um eine digital erstellte Arbeit handelt. Der Weg vom Digitalen zurück zum Analogen fügt den Bildern einen Hauch Echtheit hinzu.
Übung 6A, 6B: Mechanical Turk HIT und Ergebnisse
Im letzten Teil des Kurses haben wir uns mit dem Amazon Dienst Mechanical Turk auseinander gesetzt. Ich hatte noch keine Erfahrungen damit und war gespannt.
Mechanical Turk ist eine Plattform, auf der eine Aufgabe (HIT – Human Intelligence Task) für vorher bestimmtes Entgelt in Auftrag gegeben werden kann. Als Arbeiter kann man sich die Aufgabe und den daraus enstehenden Lohn ansehen und entscheiden, ob man die Aufgabe erledigen möchte.
Beispiel
Als Auftraggeber kann man folgende Aufgabe stellen: Male mir den Buchstaben A mit dem Tool XY und lade dein Bild hier hoch!
Nun legt man die Anzahl an HITs und den Lohn pro Hit fest, zum Beispiel 20 Hits à 0.05 $. Und nach kurzer Zeit ist man 1.50 $ ärmer (Amazon nimmt 50% Gebühr für den Service) und hat 20 mal den wunderschönen, von Menschen gezeichneten Buchstaben A.
Wie man sieht ist die Gestaltung ohne genaue Instruktionen sehr verschieden. In den Musteranweisung hatte ich bereits gelernt Aufgaben genauer zu stellen. Diese Übung war allerdings nur schnell zum Testen der Plattform.
Draw a letter
Aus der Übung mit Mechanical Turk entstand meine erste Idee. Ein Alphabet bestehend aus gezeichnetet Großbuchstaben.
Dafür habe ich mit Processing.js ein kleines Skript erstellt. So war es möglich in einem von mir bestimmten Stil zeichnen zu lassen. Den Sketch habe ich auf meinen Server geladen und den Link mit in den HIT geschrieben.
HIT - Draw the letter "A"
Um den Ablauf abzusichern habe ich für jeden Buchstaben einen individuellen HIT angelegt. Dadurch waren auf allen Ebenen gleiche Aufforderungen. Beispiel zum Buchstaben A:
„Draw the capital letter "A" with this tool: http://draw-a-letter.solemone.de/?letter=A in thin lines. Use the entire area but do not cut off the letters. Save the result as an image and upload it here.“
Pro Buchstabe habe ich zehn HITs angelegt und 0.05 $ pro HIT bezahlt. Die Ergebnisse kamen wirklich rasant. Nachdem ich den letzten HIT eingestellt hatte waren bereits ca. 50 Prozent erledigt.
Ergebnis
Insgesamt habe ich 260 Buchstaben bekommen. Allerdings musste ich auch ca. zehn HITs wiederholen, da dort entweder etwas falsches oder nichts hochgeladen wurde. Aus den hochgeladenen Buchstaben habe ich dann dieses Plakat gestaltet.
Eigentlich wollte ich eine Schrift aus den Buchstaben bilden. Allerdings bin ich in Sachen Schrift etwas penibel und finde, dass eine Schrift konsistent sein sollte. Das trifft bei den Zusendungen leider nicht zu, deshalb habe ich mich entschieden die Individualität der einzelnen Buchstaben darzustellen.
Random: Machine vs Humans
Mein nächster HIT sollte den Unterschied zwischen menschlicher und maschineller Zufallswahl zeigen. Dafür habe ich ein Formular mit vier Richtungspfeilen(oben, rechts, unten, links) bereit gestellt. Ich wollte zeigen, dass Menschen sich bei der Zufallswahl nicht vom Kontext trennen können.
Richtungen wie oben und rechts sind in unserer Kultur positiv belastet. Die Maschine sollte aber unabhängig von solchen kulturellen Hintergünden wählen.
HIT - Choose a direction!
Die Beschreibung war ziemlich einfach: „One click. Choose a direction!“
Diesen HIT habe ich 800 mal durchführen lassen und pro HIT 0.01 $ bezahlt. Die durchschnittliche Zeit betrug 6 Sekunden. Das ergibt einen durchschnittlichen Stundenlohn von 6.00 $.
Ergebnis
Das Ergebnis habe ich mit Processing verarbeitet. In zwei verschiedenen Darstellungen werden die Entscheidungen dargestellt.
In der zweiten Darstellung wird die Voreingenommenheit deutlicher. Die Menschen haben sich zum großen Teil für die Richtungen oben und rechts entschieden. Die Maschine rechts und unten.
Nun sollte man doch denken, dass die Maschine sich bei einer Random-Funktion immer anders entscheidet. Das stimmt so nicht. Die Random-Funktion in Processing läuft ziemlich linear ab. In dieser Richtungsdarstellung immer nach unten rechts. Ein Video zur Verdeutlichung:
Draw a smiley
Am Ende hatte ich noch etwas Guthaben und habe meinen letzten HIT gestartet. Mit dem Zeichenwerkzeug vom Draw a Letter Hit wollte ich Smileys zeichnen lassen.
HIT - Draw a creative smiley
„Use this tool: http://draw-a-letter.solemone.de/ to draw a creative smiley. Save the image and upload it here.“
Dafür habe ich 150 HITs zur Verfügung gestellt und mit 0.01 $ pro HIT entlohnt. Durch die geringe Bezahlung für den Aufwand kamen die Ergebnisse etwas langsamer als bei den anderen HITs.
Ergebnis
Die Ergebnisse waren trotzdem sehr schön. Durch etwas positives, wie ein grinsendes Gesicht, ließen sich die Arbeiter auch für wenig Lohn kreativ aus. Die hochgeladenen Smileys habe ich auf dieses Plakat gesetzt. Dazu habe ich einige Buchstaben aus dem anderen HIT eingebaut.
Fazit
Ein sehr guter Kurs. Ich habe viel Neues kennen gelernt und konnte bereits erworbene Erfahrungen einbauen. Die Aufgaben waren trotz Pflanzenteilen abwechslungsreich, schließlich ging es nur darum Material zu haben mit dem man arbeiten kann. Den größten Spaß hatte ich bei den Übungen mit Processing. Allerdings bauen die Ergebnisse auf den analogen Übungen auf, die mir dafür sehr geholfen haben.
Die Mechanical Turk Plattform sollte jeder mal ausprobiert haben. Das Gefühl, nach wenigen Sekunden erste Arbeitsergebnisse zu erhalten ist ziemlich lustig…